1 qm Lein 2025

Vom Saatgut zum fertigen Leinentextil

1qm Lein ist Teil einer europaweiten Bewegung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Pflanze in unsere Gärten und das Wissen zurückzu holen.

Wenn du erleben möchtest, wie dieses Projekt weiter geht, schaue regelmäßig auf diese Seite und beobachte, wie die Pflanzen wachsen und geerntet werden. Oder schaue vor Ort in der Dorfmitte von Sefferweich in der Hauptstraße im Schaubeet, wie sich die Pflanzen entwickeln. Gerne kannst du auch auf dem Roscheider Hof dabei sein, wenn wir unsere Ernte verarbeiten. Melde dich hierzu für Samstag, 20.09.2025 oder Samstag, 11.10.2025 bei den Bitburger Landfrauen an.

Zu 1qm Lein Deutschland kommst du hier.

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Endlich ist der Tag gekommen, an dem sich die erste Gruppe unseres Projekts beim Roscheider Hof getroffen hat, um die Fasern aus den eigenen Flachsstängeln freizulegen. Wir alle waren sehr aufgeregt und gespannt, was uns erwartet!

Flachs nach der Tauröste

Dieser Tau-geröstete Flachs war mein Ausgangsmaterial.

Der erste Arbeitsschritt um die Faser freizulegen, ist das Brechen:

Mit einer historischen Flachsbreche werden die Stängel gebrochen und die holzigen Teile gelöst.

Flachs nach dem Brechen

So sieht mein Flachs nach der Breche aus.

Der nächste Schritt ist das Schwingen:

Das Flachsbüchel wird hierbei über den Schwingbock gelegt und mit einem hölzernen Schwert werden die losen, holzigen Teile der Pflanze abgestreift.

Flachs nach dem Schwingen

Dies ist der Flachs nach dem Schwingen.

Anschließend werden die Büchel durch verschiedene Hechel gezogen.

Begonnen wird mit der groben, dann eine mittlere und schließlich eine feine Hechel. Alles Werk (verfilzte Fasern) wird ausgekämmt und die Fasern parallelisiert.

Gehechelter Flachs

Nach diesem Arbeitsgang erhält man lange, feine, spinnbare Leinenfasern.

Hecheln

Ganz ohne Blessuren konnte diese Arbeit von uns nicht erledigt werden 😉

Nur ein kleiner Teil der Ernte ergeben Langflachs. Alles übrige material ist aber kein Abfall:

Schäben nach der Breche
Werg nach dem Hecheln

Früher dienten die groberen hölzernen Teile, die Schäben zur Einstreu der Nutztiere, grobes Werg (durch Hechel ausgekämmtes Material) diente als Füllmaterial z. B. von Kissen, feineres Werg, also Kurzfasern wurden für gröbere Stoffe, Säcke oder Seile genutzt. Auch heute sind Schäben und Werg bei der Leinenherstellung kein Abfall. Aus ihnen werden Dämm-Materialien hergestellt.

Ganz besonders interessant waren die Vergleiche des Materials innerhalb der Gruppe.

Flachs Tauröste Wassserröste
Flachsstängel, links Tausröste, rechts Wasserröste
Vergleich Wasserröste - Tauröste
Flachsfasern, links Wasserröste, rechts Tauröste

Schon bei den gerösteten Stängeln zeigte sich der Farbunterschied und später auch bei den Fasern. Während sie bei der Tauröste eher dunkel-grau sind, erstrahlen sie bei der Wasserröste in „Flachsblond“.

Interessant war auch die Beschaffenheit der Fasern. Bei manchen Teilnehmern zeigten sich sehr feine, zarte Fasern und bei anderen eher dicke, raue. Dieser Unterschied entsteht durch die unterschiedlichen Erntezeitpunkte: Frühere Ernte – feine Fasern, spätere Ernte – grobere Faser.

1. Gruppe 1 qm lein

Insgesamt haben wir auf dem Roscheider Hof einen sehr lehrreichen Tag verbracht und viel Spaß zusammen gehabt. Herzlichen Dank an Monika, Susanne und Jeanette vom Roscheider Hof, die uns mit Rat und Tat zur Seite standen und unsere Gruppe betreut haben.

Die vielen Arbeitsschritte, die zur Leinenherstellung nötig sind, einmal praktisch durchlebt zu haben, lässt den Respekt unseren Vorfahren gegenüber und der Wertschätzung des Materials weiter steigen.

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Ein wichtiger, aber besonders für den Laien schwieriger Schritt in der Leinenherstellung ist die Leinen-Röste. Hierbei wird nicht, wie der Name es vielleicht vermuten lässt, die Pflanze Hitze ausgesetzt. Der Begriff kommt von „rotte“ also verrotten. Pektine verbinden die Fasern im Pflanzenstängel mit den festen holzigen Bestandteilen der Pflanze. Bei der Röste werden diese Bindemittel kontrolliert durch Mikroorganismen (Bakterien oder Pilze) zersetzt, damit sich die Bastfasern später vom Holzkern lösen lassen. Hierbei werden zwei Verfahren unterschieden: Tauröste und Wasserröste. Meine Fasern habe ich in beiden Verfahren geröstet und stelle sie euch vor.

Sie ist das heute gebräuchlichste Verfahren: Der Flachs wird auf dem Feld gleichmäßig ausgebreitet und regelmäßig gewendet. Morgentau, Sonneneinstrahlung, Regen und Luftfeuchtigkeit arbeiten zusammen und starten die mikrobielle Zersetzung. Die Tauröste dauert mehrere Wochen – abhängig von Wetter und Temperatur. Der Vorteil ist, dass sie umweltschonend und gut steuerbar ist.

Tauröste
Beginn der Tauröste am 03. August
Tauröste
Tauröste am 27. August

Das Aussehen der Stängel sagt nichts über den Fortschritt der Röste aus. Wichtig ist, die Pflanzen täglich zu kontollieren, damit sie nicht überrösten. Ist das der Fall, bedeutet es den Verlust der Fasern.

Kontrolle zum Röststand der Flachhalme

Solange die Leinenfasern nach dem Test noch als Band und nicht als einzelne Fasern erscheinen, ist die Röste nicht beendet.

Flachsröste

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Das Spinnen von Flachs mit der Handspindel hat uns Christiane Seufferlein, Textildozentin aus Österreich erleben lassen. Im Gepäck hatte sie für jeden der Gruppe eine Handspindel und Flachszöpfe aus einer Hochzeitstruhe von 1877!

Handspindel
Flachszöpfe

Die Zöpfe hatten eine wunderbare, weiche Haptik, die ich von Flachs so nicht kannte. Christiane erklärte uns, dass die Flachsfaser nach längerer Lagerung immer weicher wird. Deshalb hat man in früheren Zeiten nur etliche Jahre abgelagerten Flachs zum Spinnen für Leibwäsche benutzt. Ehrfürchtig diesem besonderen Material gegenüber machten wir uns daran, die Fasern vorzubereiten und das Spinnen mit der Handspindel zu lernen.

Kardieren von Flachs
Kardieren von Flachs

Was bei der Dozentin so spielerich und leicht aussah, ist uns Kursteilnehmern doch anfangs schwer gefallen. Aber: Übung macht den Meister! Und im Verlauf des Tages entstand das erste, selbstgesponnene Leinengarn.

Spinnen
Spinnen
Spinnen
Leinenrocken

Natürlich hatten wir auch die Gelegenheit, textile Arbeitsgeräte von der Römerzeit bis ins letzte Jahrhundert im Museum anzusehen. Christiane konnte uns viele Informationen dazu geben.

Spinnviertel
Flachsverarbeitungsgeräte

Es war für uns alle ein wunderbarer, sehr informativer Leinentag, der viel Spaß gemacht hat!

Spinngruppe

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Eine zweite Veranstaltung fand am Abend statt. Christiane Seufferlein holte uns mit ihrem Vortrag „Bertas Flachs“ mit auf eine Reise durch das obere Mühlviertel in Österreich und die ganze Welt. Sie erzählte uns von der Tradion der Hochzeitstruhe, die für neugeborene Mädchen angelegt wurde und in der bis zu ihrer Hochzeit hochwertige Flachszöpfe zur Aussteuer gesammelt wurden. Diese waren nicht dazu gedacht, von der Braut versponnen zu werden sondern stellten eine Sicherheit dar. Nur die Braut durfte über diese Truhe verfügen und konnte im Notfall, wenn z. B. ein Kind einen Arzt benötigte oder der Mann verstarb, ihren Inhalt veräußern um anfallende Kosten zu bezahlen. Heute stehen solche Hochzeitstruhen noch in vielen Häusern im oberen Mühlviertel und Christiane hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesem Flachs ein neues Zuhause zu geben. So sind Zöpfe in der ganzen Welt gelandet und haben für verschiedene Projekte eine neue Verwendung gefunden.

Bertas Flachs

Sehr gebannt lauschten die Besucher den Worten von Christiane Seufferlein.

Vielen Dank, liebe Christiane, dass du uns an deinem Wissen teilhaben ließt!

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Nach der Ernte habe ich die Flachsbündel zum Trocknen aufgehangen, wegen des sehr wechselhaften Wetters meist in der Scheune. Besser wäre Sonne für das Nachreifen des Samens gewesen, aber mit solchen Widrigkeiten mussten schon unsere Vorfahren zurecht kommen. Heute ist der Tag des Riffelns gekommen. Weil ich keinen (historischen) Riffelkamm besitze, habe ich eine Idee von 1 qm Lein aufgegriffen und einen breitzinkigen Kamm mit Klammern an einem Karton befestigt. Obwohl mein Kamm recht klein ist, hat es sehr gut funktioniert:

Leinenlos

Das Abspringen der Samenkapseln ist eine Freude.

Nun müssesn die Samen aus den Kapseln gelöst werden.

Der Samen ist schon zu früherer Zeit sehr wertvoll gewesen. Natürlich musste die Grundlage für den Flachsanbau für das nächste Jahr gesichert werden. Leinsamen war aber auch für Mensch und Vieh wertvoll als Nachrungsergänzung und Heilmittel.

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Hier nochmal von der Aussaat bis zur Ernte im Schnelldurchlauf.

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Nach 82 Tagen – war es nun soweit. ich habe meine Flachspflanzen geerntet. So richtig sicher war ich mir mit dem Erntezeitpunkt nicht. Heißt es doch immer, dass Flachs 100 Tage nach der Saat geerntet werden soll. Dem Äußeren nach war es soweit und nach Rücksprache mit den Flachsspezialisten von 1 qm Lein habe ich Bestätigung bekommen. Durch das warme und trockene Wetter kann es durchaus sein, das die Pflanzen früher erntereif sind.

1 qm Lein

In der Reife unterscheidet man verschiedene Stadien: Grünreife, Gelbreife, Vollreife und Überreife. Die optimale Faserlänge und Feinheit der Fasern erhält man bei Ernte zur Gelbreife.

Flachspflanzen werden aus dem Boden mit der Wurzel ausgerissen, weil sich selbst dort Fasern befinden. So erhält man möglichst viel des kostbaren Materials.

Ernte 1 qm Lein

Nach der Ernte werden die Pflanzen getrocknet und die Samekapseln können nachreifen.

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Nur noch ganz vereinzelt zeigen sich ein paar wenige Blüten im Flachsbeet und an den Stängeln haben sich viele runde Samenkapseln gebildet.

1 qm Lein
Flachsblüte

Das beobachte ich mit einem lachenden aber auch mit einem weinenden Auge. Jede Blüte habe ich genossen und bewundert! So fein und filigran, mit wunderbarer extrem feiner dunkelblauer, fast violetter Zeichnung auf hellblauem, lilafarbenem Grund. Unsere Natur ist der beste Künstler!!!

Samenkapseln Lein
Samenkapseln Flachs

Und jetzt geht der Blick nach vorne: Die unzähligen Samenkapseln wiegen sich im Wind und reifen. Das kann bei dem heißen Wetter schneller passieren und so heißt es: weiter beobachten und den richtigen Moment für die Ernte finden.

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Jeden Tag besuche ich mein Feld mit den Leinenpflanzen. Jeden Tag fotografiere ich ihren Fortschritt und erfreue mich an den Pflanzen. Jeden Tag denke ich, ein noch schöneres Foto kann es nicht geben…

Leinenblüte

Und dann heute, an einem regnerischen Tag ist mir dieses Bild gelungen. Ist diese Blüte nicht ein Traum? Sie war wetterbedingt eine der ganz wenigen ganz geöffneten Blüten. Ist es nämlich bedeckt, öffnen sich die Blütenknospen später am Vormittag und blühen dafür länger in den Nachmittag hinein. Wenn sogar regnet, sind kaum ganz geöffnete Blüten zu sehen, meist zeigen sie sich nur in „Kelchen“.

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Ein kleines Filmchen zur Entwicklung der Blütenknospen bis hin zu den Samenkapseln. Insgesamt ein Prozess von ungefähr 5 Tagen.

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Fünf Tage nach der ersten Blüte hat sich das Beet in ein wunderbares Blütenmeer verwandelt. Die beste Zeit es anzuschauen, ist morgens zwischen 9 Uhr und 9.30 Uhr.

Flachs

Beim Anblick des Beetes mit all den vielen kleinen Blümchen kann ich mir gut vorstellen, dass die Redewendung von der „Fahrt ins Blaue“ von den blühenden Flachsfeldern kommt. Natürlich war es für unsere Vorfahren eine wichtige Pflanze, die Blüte erfreute aber genau wie heute sicher auch schon damals die Augen und die Seele.

Flachsblüte

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Die kleinen Blüten des Flachs sind nur von kurzer Dauer. Sie blühen nur einige Stunden, dann fallen die Blütenblätter ab und die Entwicklung zur Samenkapsel beginnt. Es dauert ungefähr 2 Tage bis diese zu erkennen ist.

Flachs Samenkapsel

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So oft ich mein Flachsbeet besuche, beobachte ich kleine Insekten, die sich an den Blüten erfreuen. Wie schön, dass es auch für sie einen Mehrwert an unserer Aktion gibt.

Flachsblüte

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Am 57. Tag nach der Aussaat ist sie da: Die erste Blüte!!! Was für ein besonderer, magischer Moment – ob es unseren Vorfahren auch so erging?

Leinenlos
Leinenlos

Wenn Ihr die Blüten sehen möchtet, solltet ihr euch schon am Morgen auf zum Beet machen, denn die Blüten blühen nur in den Morgenstunden. Gegen Mittag / früher Nachmittag verwelken sie und am nächsten Tag erblühen neue. Jede Flachsblüte öffnet sich nur ein Mal, ein ganzes Flachsbeet blüht über die Dauer von cirka zwei Wochen.

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Leinenlos

Um meine Lein-Planzen vor allzu argen (Un-)Wetterkapriolen zu schützen, habe ich vor einer Woche ein Stützgerüst angebracht. Wir hatten großes Glück, der Starkregen der letzten Nacht hat den Pflanzen nicht geschadet und die Hagelschauern sind zum glück ausgeblieben! Mein Quadratmeter Lein steht sehr gut da und ist innerhalb der Woche, in der das Stützgerüst steht, beträchtlich gewachsen. 55 Tage nach der Aussaat sind die ersten Blüten-Knospen zu sehen und ich freue mich schon sehr, wenn diese sich öffnen.

Leinenlos

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Es ist so wunderbar zu beobachten, wie die Pflanzen wachsen und gedeihen. Nach weiteren Regenschauern und auch Sonne strecken sie sich schnell nach oben.

1 qm Lein bei Leinenlos

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In den letzten Wochen mussten die zarten Pflänzchen immer wieder gegossen werden und sie haben sich gut entwickelt. Inzwischen, 33 Tage nach der Saat, haben sie ihren ersten Regen mitbekommen. Egal wie fleißig ich vorher gewässert habe – richtiger Regen lässt alles besser wachsen. So konnte man in den letzten Tagen den Pflanzen beim Wachsen zuschauen.

1 qm Lein
vor dem Regen
1 qm Lein
nach dem ersten Regen

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Zum Handwerkertag am Freilichtmuseum Roscheider Hof habe ich Mona von 1qm Lein Deutschland und Christiane von 1 qm Lein Österreich getroffen.

1 qm Lein

Was eine Freude, so ein geballtes Leinenwissen zu erleben und Austausch zu pflegen! Herzlichen Dank an Ursula Ninfa vom Roscheider Hof für die vielen Einblicke.

Spinnen von Flachs
Christiane von 1qm Lein Österreich
Weben von Flachs
Mona von 1qm Lein Deutschland

Es ist wunderbar zu spüren, wie Leinen verbindet.

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Nachdem am 22. April der Leinsamen ins Beet gesät wurde, konnten wir schon 6 Tage später, am 28. April die ersten Pflänzchen beobachten. Ganz schnell, binnen 2 Tagen haben sich alle ans Licht gestreckt.

1 qm Lein
1 qm Lein

Seit dem 3. Mai, also nach 11 Tagen sind nun neben den Keimblättern auch die ersten „richtigen“ Blätter zu sehen.

1 qm Lein

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1 qm Lein

Damit sich jeder informieren kann, ist am Schaubeet ein entsprechendes Schild angebracht worden. Per QR-Code geht es gleich auf diese Seite – herzlich willkommen!

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Endlich ist es bei Leinenlos auch soweit. Auf einer Wiese mitten im Dorf an der Hauptstraße ist eingefasst in einen Rahmen das Beet für den Lein entstanden.

1 qm Lein

Anlegen des Beetes in Sefferweich

Traditionell wurde am 100. Tag des Jahres gesät.

Aussat 1 qm Lein

Das habe ich nicht ganz geschafft. Dafür ist das Wetter nun günstiger, denn es hat inzwischen geregnet und der Boden ist feucht. Perfekte Bedingungen für die Aussaat.

Jetzt ist der Grundstein gelegt und ich bin sehr gespannt, was mich und alle Teilnehmer erwartet 🙂

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Vom Saatkorn zum selbstgewebten Leinenband

2025 findet erstmals in Deutschland 1 qm Lein statt – ein Mitmachprojekt, bei dem du Flachs im eigenen Garten anbauen und zu Leinen verarbeiten kannst. Das Freilichtmuseum Roscheider Hof und die Bitburger Landfrauen haben sich gemeinsam mit Leinenlos diesem Projekt angeschlossen. Am Samstag, 21.09.2024 war die Auftaktveranstaltung bei der Jahreshauptversammlung der Landfrauen.

1 qm Lein

Mit sehr großem Interesse verfolgten die Damen das Projekt und informierten sich über die Möglichkeiten.